Wie Sie Ihre Reporting-Probleme systematisch in den Griff bekommen
„Für diesen Report haben wir sechs Monate gebraucht!“ Mein Kunde seufzt und klappt den Laptop zu. Er ist IT-Leiter beim Waschmaschinen-Hersteller Hagendorf (der natürlich rein fiktiv ist) und zeigt mir gerade einen Report, der für jedes Feature der Produktpalette die Entwicklungskosten, den Umsatz und die Service-Kosten gegenüberstellt. Für diesen Report waren ursprünglich vier Wochen veranschlagt, weil die Daten ja alle schon vorhanden waren.
So geht es vielen Organisationen. Sie sind bei der Digitalisierung vorne dabei, haben pflichtschuldig Datenbanken, Data Warehouses und Data Lakes gebaut, je nachdem, was gerade Mode war. Trotzdem – oder deshalb – stellt sich nie das Gefühl ein, die Daten im Griff zu haben. In der Frustration bekommen auch wir Berater:innen so einiges zu hören. Nachvollziehbar und häufig zu Recht, denke ich.
Oft haben wir uns zu sehr auf die Technologien und die IT-Abteilung konzentriert. Eine gute Data Governance bezieht jedoch das gesamte Unternehmen mit ein.
Der Begriff Data Governance ist, wie so oft, nicht scharf definiert. Im engeren Sinne bezeichnet Data Governance eine Organisation und ihre Prozesse, die dazu da ist, die Datenqualität sicherzustellen. Ich bevorzuge es, den Begriff etwas weiter zu fassen und die allgemeine Behandlung von Daten einzuschließen. Die Mitarbeitenden, die Daten erzeugen und nutzen, müssen Daten als Teil ihrer Arbeit begreifen – und diese Mitarbeitenden sind häufig nicht in der IT.
So ist meinem Kunden erst im Zuge dieses Reporting-Projekts bewusst geworden, dass Entwicklung, Vertrieb und Service die Produktliste unterschiedlich abbilden, und es ziemlich aufwendig ist, die Kosten und Umsätze auf einzelne Produkt-Features herunterzubrechen.
Hand aufs Herz: Ging es Ihnen nicht auch schon so?
Warum haben wir nicht gleich daran gedacht, Daten aus ihren Silos zu holen und ganzheitlich zu betrachten?
Wir haben uns lange damit beschäftigt, digital zu arbeiten. Dabei war das Ziel, möglichst viele unserer Geschäftsprozesse digital abzubilden. Erst später ging es darum, die dadurch entstandenen Daten mit möglichst geringem Aufwand in tagesaktuelle Reports einfließen zu lassen, oder für innovative Machine-Learning-Anwendungen zu nutzen.
Dabei stellen viele Organisationen fest, dass die einzelnen Abteilungen für sich inzwischen sehr digital arbeiten, ihre Arbeitsweisen untereinander aber nicht zusammenpassen. Oft werden völlig verschiedene technische Systeme genutzt, die vielleicht auch keine guten Schnittstellen bieten. Es kann auch an völlig verschiedenen Datenmodellen liegen.
Und das führt häufig zu einer Vielzahl von kleineren Problemen in der Praxis, die alle für sich genommen klein und lösbar sind. In ihrer Summe sind sie dann oft der Sand, der das Getriebe zum Stillstand bringt.
Im täglichen Kampf um nutzbare Daten fällt dabei manchmal weder den Datenanalyst:innen noch dem IT-Team und schon gar nicht dem Vorstand auf, dass es sich hier eigentlich um ein systematisches Problem handelt.
Denn bei den vorherigen Digitalisierungswellen war die systematische und abteilungsübergreifende Nutzung von Daten nicht wirklich eingeplant. Deshalb sind die Daten auch nur ein Nebenprodukt der Arbeit.
Wirklich neu ist das Konzept der Data Governance nicht mehr, und viele Unternehmen haben bereits ein Data Governance Office und die Rollen Data Owner oder Data Steward ausgerollt.
Wie funktioniert Data Governance in der Praxis?
Hier kommt oft wieder das oben beschriebene Missverständnis ins Spiel: Data Governance wird in der Regel aus der IT getrieben, die Data Owner sind jedoch meist nicht in der IT, sondern in den Fachbereichen. Diese neue Rolle stellt eine Menge neuer Anforderungen an die Mitarbeitenden. Daher muss die Organisation ihnen das Wissen, Unterstützung und auch Zeit bereitstellen, diesen Anforderungen gerecht werden zu können.
Data Governance ist als Aufgabe der gesamten Organisation zu begreifen, nicht als reines IT-Thema.
Es genügt auch nicht, Data Governance als Kontrollsystem zu verstehen. Es braucht ein ausdefiniertes Rollenmodell, möglicherweise Schulungen und Unterstützungsangebote um „Data as a Product“ erfolgreich einzuführen.
Wenn diese Governance-Organisation steht, jede Datenquelle eine:n Ansprechpartner:in hat und die Daten ordentlich dokumentiert sind, treten die Fragen nach den Zugriffsrechten in den Vordergrund.
Datenmenschen wie ich würden am liebsten alle Daten mindestens im Unternehmen offen machen. Das ist allerdings illegal. Und selbst wenn den rechtlichen Anforderungen für Personal- und Finanzdaten Genüge getan ist, widerspricht das immer noch der klassischen IT-Prämisse „need to know“, wie sie auch in der ISO 27001 festgelegt ist.
Wir brauchen also gute Regeln um individuell Zugriff auf verschiedene Datenquellen erteilen zu müssen. Im Idealfall ist der Prozess dazu auch weitgehend automatisiert.
Wenn wir bis hier gekommen sind, können unsere Mitarbeitenden schon ziemlich flexibel individuelle Reports erstellen, die sie für ein aktuelles Projekt brauchen.
Wir werden dennoch weiterhin erleben, dass Datenmodelle über verschiedene Abteilungen hinweg schwierig sind. Die technischen Grundlagen sind vielleicht zu unterschiedlich oder die Daten redundant.
Wenn also Hagendorf nun zum ersten Mal die Informationen aus Entwicklung, Vertrieb und Service gemeinsam nach Produkteigenschaften aufschlüsseln möchte, haben sie nun dank ihrer Data Governance den Rahmen dafür:
Die Data Owner können sich zusammensetzen, und die Migration planen. Weil sie ihre Daten als Produkt begreifen, und sie gut dokumentiert haben, können sie die jeweiligen Anforderungen klar benennen. Daraus entwickeln sie, vielleicht mit meiner Unterstützung, ein neues Datenmodell, das diese Anforderungen erfüllt.
Fazit
Viele Organisationen haben Schwierigkeiten, vorhandene Daten sinnvoll zu nutzen. Das ist oft ein systematisches Problem, denn zu häufig werden mit der Data Governance Regeln und Anforderungen eingeführt, die zu wenig bekannt sind, und deren Umsetzung anschließend stillschweigend vorausgesetzt wird.
Data Governance braucht den Support des gesamten Unternehmens und muss als Transformationsaufgabe verstanden werden.
Eine geordnete Organisation im Rahmen der Data Governance bietet einen Rahmen und eine Struktur um die Datenschwierigkeiten zu lösen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit (oder ohne) Data Governance?
Lassen Sie uns gerne in den Dialog gehen. Mit „Frag den Jörg“ können Sie direkt hier einen Termin mit mir ausmachen. Ich freue mich sehr auf den Austausch.
Autor
Jörg hat 23 Jahre Erfahrung in Data Science, Software-Entwicklung und Innovation. In seiner Rolle als Team Lead bei der AppSphere leitet und unterstützt er unser Data Analytics Team. Sein Ziel: Data Analytics auf ein neues Level heben!